Eilenburger Sagen

Lesen Sie Geschichten über Eilenburg von gestern, heute und morgen ...

Eine kleine Auswahl ...

Das kleine Volk auf der Eilenburg in Sachsen wollte einmal Hochzeit halten und zog daher in der Nacht durch das Schlüsselloch und die Fensterritzen in den Saal der Burg, und es sprang hinab auf den glatten Fußboden, wie Erbsen auf die Tenne geschüttet werden.

Davon erwachte der alte Graf, der im hohen Himmelbette in dem Saale schlief und verwunderte sich über die vielen kleinen Gesellen. Da trat einer von ihnen, geschmückt wie ein Herold, zu ihm heran und lud ihn in geziemenden Worten gar höflich ein, an ihrem Feste teilzunehmen.

"Doch um eins bitten wir," setzte er hinzu, "Ihr allein sollt zugegen sein; keiner von Eurem Hofgesinde darf sich unterstehen, das Fest mitanzuschauen, auch nicht mit einem einzigen Blicke."

Nun ward ihm ein kleines Weiblein zugeführt, kleine Lampenträger stellten sich auf, und eine Heimchenmusik hob an. Der Graf hatte Mühe, das Weibchen beim Tanze nicht zu verlieren, das ihm so leicht daher sprang und endlich so im Wirbel drehte, dass er kaum zu Atem kommen konnte. Mitten in dem lustigen Tanz aber stand auf einmal alles still, die Musik hörte auf und der ganze Haufen eilte nach den Türspalten, Mauselöchern oder wo sonst ein Schlupfwinkel war. Das Brautpaar aber, die Herolde und Tänzer schauten aufwärts nach einer Öffnung, die sich oben in der Decke des Saales befand und entdeckten dort das Gesicht der alten Gräfin, welche vorwitzig nach der lustigen Gesellschaft herabschaute.

Darauf neigten sie sich vor dem Grafen, und derselbe, der ihn eingeladen, trat wieder hervor und dankte ihm für die erzeigte Gastfreundschaft. "Weil aber" sagt er dann, "unsere Freude und unsere Hochzeit also ist gestöret worden, dass noch ein anderes menschliches Auge darauf geblickt hat, so soll fortan Euer Geschlecht nie mehr als sieben Eilenburger zählen." Darauf drängten sie nacheinander schnell hinaus; bald war es still, und der alte Graf war wieder allein im finstern Saale.

Die Verwünschung ist bis auf die gegenwärtige Zeit eingetroffen, und immer starb einer von den sechs lebenden Rittern Eilenburgs, ehe der siebente geboren war.

(Brüder Grimm)

Nicht nur bei den Brüdern Grimm ist die Sage von "Des kleinen Volkes Hochzeitsfest" zu finden; auch Ludwig Bechstein verwendet sie in seinen "Deutschen Märchen und Sagen" unter dem Titel "Der Graf von Eilenburg und die Zwerge". Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe schließlich hat die Sage zu einem Gedicht verarbeitet, das wiederum der Komponist Carl Loewe als Ballade vertonte. Der Titel lautet hier "Hochzeitslied".

Diese Sage wird nun auch durch den Eilenburger Marktbrunnen dargestellt.

Auf der Muldeinsel befindet sich nach Mittag zu eine hübsche Eichenwaldung, die in älterer Zeit weit größer war. Sie wird der Teufelswinkel genannt, und dazu gab folgende Begebenheit die Veranlassung: Einst war in Leipzig ein Tierbändiger mit wilden Tieren. Unter diesen befand sich auch ein großer Affe, der aber eine passende Gelegenheit benutzte und Reißaus nahm. Alles Verfolgen war fruchtlos. Eines Tages nun kamen aus vorerwähnten Wäldchen Holzsammler aufgeregt und angstvoll nach der Stadt gelaufen und erzählten, dass sie im Eichbusche den "Herrn Teufel" gesehen hätten. Die halbe Stadt strömte neugierig hinaus. Die meisten schienen auch die Sache zu glauben, denn sie kehrten mit bedenklichen Gesichtern heim. Nur einige beherzte Männer gingen mit Knütteln dem vermeintlichen Teufel zu Leibe und trieben ihn auf eine Eiche, von der er nicht wieder herunterzubringen war. Die Leute des Tierbändigers waren mit ihren Nachfragen auch nach Eilenburg gekommen und hörten die Teufelsgeschichte. Sie ahnten den Zusammenhang, gingen hinaus und erkannten ihren Ausreißer. Durch Lockungen brachten sie ihn von der Eiche herab und auch wohlbehalten nach Leipzig zurück. Seit dieser Zeit nennt man das Wäldchen "Teufelswinkel".

(aus älteren Sammlungen von Sagen des Kreises Eilenburg)

Vor Zeiten wohnte in dem gegen Abend vor Eilenburg gelegenen Schlossberge ein graues, kleines Männchen, das den Eilenburger Einwohnern oft großen Nutzen brachte. Den an der Mulde wohnenden Fischern zu helfen oder den von oder nach Leipzig fahrenden Frachtfuhrleuten auf den schlechtesten Wegen mit seinen scheinbar geringen Kräften die Wagen den Berg hinauf schieben zu helfen, war seine größte Freude.
Ungerufen kam der Zwerg und fand sich überall da ein, wo Not am Mann war. Jeder kannte ihn, nahm ihn freundlich an und suchte sich seine fernere Liebe zu erhalten. Keiner der sonst so rauhen Fuhrleute ärgerte ihn, alle waren seine Freunde.
In der Nähe des Berges, am Rande eines kleinen Gehölzes, hatte der Alte eine kleine Hütte, dort war er oft. Was er darin tat, das allerdings wusste man nicht, denn niemand durfte hinein. Nahte sich jemand der Hütte, so wurde er durch eine unsichtbare Macht festgehalten, und mancher Vorwitzige oder Unwissende hat tagelang wie gebannt feststehen müssen. Gewarnt durch solche Strafe mied jeder die Umgebung und ließ dem Alten sein Geheimnis. Viele behaupteten, dass des Nachts Funken aus der Esse des kleinen Häuschen gekommen seien, und nannten es daher das Funkenhäuschen.
Das ging so lange gut, bis eines Tages ein ungeschlachter Geselle mit dem kleinen Männlein allerlei Händel anfing. Wollte der Kleine einem Fuhrmann helfen, so jagte der Böse ihn davon und lachte lauthals über das Wichtlein, das den schweren Wagen den Berg hinaufschieben wollte. Da er zu feige war, in den Bannbereich zu kommen, warf er von weitem Steine in die Hütte, dass die Ziegel am Dache bald alle herunter waren.
Den Eilenburgern gefiel zwar das Treiben dieses Bengels nicht, aber einzuschreiten und dem kleinen Männlein, das ihnen so oft geholfen hatte, beizustehen, getrauten sie sich im Hinblick auf die Bärenkräfte des Gesellen nicht.
So kam es, dass eines Tages das Zwerglein verschwunden war. Das graue Männlein hatte sich wegen törichter Neckerei durch undankbare und rohe Menschen in den Berg zurückgezogen und lebte dort verbittert seine Tage. Mancher nächtliche Wanderer will ihm begegnet sein, keiner aber wagte es, ihn anzusprechen. Denn so freundlich einst der Kleine den Menschen gesinnt war, so feindlich wurde er nun.
Unsichtbar hinderte er die Eilenburger an ihren Arbeiten. Ja, als man eine Turmruine der alten "Hildeburg" abtragen wollte, baute des Nachts die unsichtbare Macht die Steine wieder zusammen, die am Tage vorher abgerissen worden waren. Das ging lange, bis der Zwerg der Sache doch überdrüssig war und die Leute gewähren ließ. Am meisten hatten nun die Fuhrleute zu leiden. Es war keiner mehr, der ihnen half. Im Gegenteil, der Berg schien unüberwindlich, und die armen Rappen mussten öfter verschnaufen, bis sie endlich die Höhe erreichten.
So hat Übermut und frevelnde Torheit eines Einzelnen der Gesamtheit Schaden bereitet und aus dem guten einen rächenden, bösen Geist gemacht.

(aus älteren Sammlungen von Sagen des Kreises Eilenburg)

Vor langer Zeit war die Gegend um Eilenburg noch von dichtem Wald bedeckt. Da wohnte an einer entlegenen Quelle eine Nymphe. Niemand hatte sie je entdeckt oder gestört. Doch eines Spätsommertages ging ein Mädchen aus Eilenburg durch den Wald, um kräftigende Kräuter zu suchen. Seine Mutter war krank und gebrechlich und bedurfte dringender Hilfe. Lange irrte das Kind hin und her, ohne etwas zu finden. Schließlich setzte es sich müde an einer Quelle nieder. Wie erschrak es, als ihm plötzlich eine fremde Frau gegenüberstand! Doch diese sprach freundlich und beruhigend auf das Mädchen ein und fragte, was es ganz alleine im Walde suche. Das Mädchen erzählte, dass seine Mutter schon lange leiden müsse und die Familie kaum das nötigste habe, um den Hunger zu stillen. Da reichte die Nymphe dem Mädchen einen Strauß voller Kräutlein vom Quellenrand und sprach: “Drücke sie aus und gib den Saft deiner Mutter zu trinken. Daran wird sie gesunden. Nimm aber auch dieses Fläschchen mit dem Quellwasser mit. Es wird niemals aufhören zu fließen und dich stets an mich erinnern. Und wenn du dich mit dem Wasser wäscht, bleibst du immer jung und schön und wirst von allen begehrt.“ Das Mädchen bedankte sich und eilte nach Hause. Die Mutter genas alsbald von der Arznei aus den Quellkräutern und fand wieder Kraft, für ihre Kinder zu sorgen. Und mit dem köstlichen Wasser aus dem Fläschchen wusch das Mädchen Wäsche – die wurde so blendend weiß, dass alle aus der Gegend nur noch bei ihr mit dem Zauberwasser waschen wollten. Alle Not hatte nun ein Ende. Die klugen Eilenburger ließen später das klare Wasser durch die Röhren in ihre Stadt leiten, und noch heute erquickt es Mensch und Tier.